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Mehr Glück war dem Johannes Nikolaus Müller von der Roten Mühle beschieden, dem Sohn des Albert Müller und seiner Ehefrau Rosina Barbara Barnickel, der einzigen Tochter des Hans Barnickel auf der Rangenmühle. Er wurde 1693 geboren, gind durch die strenge Schule seines Paten Johann Nikolaus Könitzer, absolvierte mit Erfolg das Hofer Gymnasium und wurde an den Universitäten Jena und Leipzig zum Geistlichen ausgebildet. Er schreibt in der Selbitzer Pfarrgeschichte: "Zu dem frei gwordenen Diakonat bin ich, Johannes Nikolaus Müller, ein Selbitzer, als Studiosus von Leipzig aus den 21. Nov. 1719 im Namen Gottes berufen worden. Am 20. Oktober 1725 wurde ich im Namen des Dreieinigen Gottes zum Pastorat allhier berufen. Nach verflossener einjähriger Gnadenzeit hielt ich am 17. September 1726 meinen Einzug in die Pfarr. Im Jahre 1766 wurde ich neben zwei anderen Geistlichen zum Seniorat (Ältestenrat) des Hofer Kapitels (Versammlung der Geistlichen) gewählt. Da mein Vetter Pfarrer Barnickel in Schwarzenbach a. d. Saale auch zum Seniorat in dem Münchberger Kapitel gelangte, so ist es doch als etwas Kurioses anzusehen, daß die beiden Müllersöhne zu Selbitz zu gleicher Zeit Seniores gewesen, welches Gott sonder Zweifel nach seiner Weisheit als gefügtet. Anno 1770 den 19. Trinitatis hielt ich meine Dank- und Jubelpredigt nachdem ich 50 Jahre allhier im geistlichen Amte gestanden."
Die Pfarrgeschichte vermerkt, daß bei dem Festmahl zu Müllers Einsetzungsfeier, die mit der des Diakonen Fröhlich zusammenfiel, aus dem hochgräflichen Tattenbachschen Schlosse Käskohl (?), Kapaunen (kastrierte Masthähne, Piephahn (Truthahn), Karpfen und Hecht aufgetragen wurden.
Müller wird als ein Mann von gutem Charakter geschildert. Für seine Predigten soll er sich nie Aufzeichnungen gemacht haben; er habe sie alle aus dem Kopf gehalten.
Dieser Pfarrer aus der Roten Mühle starb am 3. Februar 1776 im Alter von 83 Jahren. Harte Schicksalsschläge waren auch ihm nicht erspart geblieben. Er war dreimal verheiratet und mußte erleben, wie alle drei Frauen vor ihm dahinschieden. Am schwersten traf ihn der Tod seines Sohnes Adam Johann Georg aus zweiter Ehe. Der hatte wie sein Vater in Jena und Leipzig Theologie studiert und war als Hilfsgeistlicher nach Selbitz gekommen. Zum Neujahr 1758 hielt er seine Antrittspredigt in Marlesreuth und an Epiphanias (6. Januar) in Selbitz. 1759 grassierte hier die gefährliche Blutfleckenkrankheit. Bei einer Krankenkommunionr wurde der junge Geistliche angesteckt und im Alter von nur 26 Jahren vom Tode hinweggerafft. "Es hat's der Herr getan", schrieb der schwer geprüfte Vater, "wer darf sagen: Was machst DU?".
Das Sterberegister verzeichnete in jedem Jahr 134 Todesfälle.